Es war tiefe Nacht, als wir am Flughafen von Neu-Delhi ankamen. Unsere Erinnerungen an das wunderschöne Schiraz waren noch frisch. Wir wussten, dass Indien anders sein würde als der Iran. Aber was heißt das schon?
Wie groß ist Neu-Delhi? Bereits daran scheiden sich die Geister. Die offizielle Zahl liegt bei 26 Millionen Menschen. Glaubt man den Indern, die uns ihre Stadt hier näher brachten, liegt die inoffizielle Größe der Stadt bei über 34 Millionen Menschen. Unvorstellbar, kommt uns doch Berlin manchmal bei Besuchen als schon unüberschaubar groß vor.
Neu-Delhi hat viel zu entdecken. Wir öffneten den Stadtplan und waren erschlagen. Wo sollte man hier anfangen? Wir entschieden uns dazu, unseren Indien-Start über die kulinarische Schiene zu wagen. Zwei Inder führten uns in die Altstadt von Neu-Delhi. Die Fahrt begann in der modernen Metro, die jener in Teheran in nichts nachstand.
Ein wahnsinniger Kontrast
Am Ziel angekommen stiegen wir die Treppe der Metro empor. Es war der vielleicht größte und überraschendste Kontrast, den wir bisher auf Reisen erlebt haben. Die moderne und saubere Metro unten und die hektische und chaotische Altstadt Neu-Delhis oben. Alle Augen waren auf uns gerichtet.
Es war kein unangenehmer Moment, jedoch ein unerwarteter. Wir sahen keinen offensichtlichen Touristen in der Umgebung. Jedoch viel Müll auf den Straßen. Von oben hingen unzählige Kabel von den Dächern und Balkonen der Häuser. Und ein unfassbares, selbst aus Städten wie Jakarta oder Mexico City nicht bekanntes Hupkonzert war aus den Gassen hören.
Wir bahnten uns unseren Weg durch die engen Gassen der Altstadt. Alles drängelte sich hier. Menschen, Tuktuks, Mopeds und Tiere. Mal kamen uns Kühe entgegen, mal fraßen Ziegen an Halmen inmitten der Gasse. Sackkarren fuhren uns in die Hacken. Und immer dieses grelle Hupen.
Curry morgens, mittags und abends
Wir aßen an verschiedenen Ständen entlang der Gassen. Doch taten wir dies nur, da unsere indischen Führer jene Standbesitzer kannten. Allzu oft hatten wir von Magenproblemen von Freunden und anderen Reisenden gehört. Die indische Küche ist durch seine Schärfe ohnehin eine Herausforderung für unsere europäischen Mägen. Da muss die Hygiene umso mehr stimmen.
Das Essen war wirklich fantastisch. Verschiedene Currys, Brote und Süßspeisen gaben uns einen tollen Einblick in das tatsächliche Essen der Straßen von Neu-Delhis Altstadt. Der Pluspunkt: Die Zutaten der Speisen waren lokal. Minuspunkt: Plastik, Plastik, Plastik. Selbst in Lokalen sitzend gab es alles auf Plastik. Benutzte Teller und Becher wurden in die Straßenecken geworfen.
Uns wurde versichert, dass die Standbesitzer es am Abend wegräumen und entsorgen würden. Eigentlich möchten wir dem Glauben schenken. Und auch erzählte man uns glaubhaft, dass es vor circa 4 Jahren noch annähernd doppelt so viel Müll auf den Straßen gab – dennoch blieben kleine Zweifel daran bei einem Blick über die Gassen der Stadt.
Nichts geht mehr
Wir waren mittendrin im Treiben von Neu-Delhi. Mittlerweile wachten die Märkte der Stadt auf und es wurde voller. Bei unserer Ankunft in der Altstadt dachten wir nicht, dass das ginge. Doch hier standen wir nun. Mitten in der Menschenmenge. Die Gassen kaum breiter als zwei Meter. Einmal standen wir ohne Übertreibung fünf Minuten an derselben Stelle. Nichts bewegte sich.
Viele Inder mit Rollern hielten es für eine fantastische Idee, hier durchzufahren. Da Roller wichtiger sind als Menschen wurde einfach der Weg freigehupt. Ohrenbetäubender Lärm. Manchmal drückten einen irgendwelche Roller weg. Menschen mit Klaustrophie sollten diese Gassen meiden.
Kühe, Ziegen, Affen
Am Kräutermarkt der Stadt angekommen gesellten sich neue Gerüche hinzu. Hier waren Kreuzkümmel, Kurkuma und Anis zuhause. Auf den Geländern liefen Affen herum. Was für ein unwirkliches Szenario. Die Auswahl an Gewürzen und vor allem an Gewürzmischungen war phänomenal. Und auch der Chai, den man hier trinken konnte, war wirklich außerordentlich lecker.
Doch wir hatten erstmal genug Trubel. Viel hatte diese Stadt noch zu bieten. Viel zu sehen, zu riechen und zu schmecken. Als sich unsere Zeit in Neu-Delhi dem Ende neigte, wollten wir noch ein ungewöhnliches und nicht eingeplantes Highlight erleben. Ein Reisender im Hostel erzählte uns davon begeistert.
Bollywood pur
Er war am vorherigen Abend im Bollywood-Theater und würde sich uns anschließen, um es erneut zu sehen. Wir überlegten nicht lange und so fanden wir uns wenig später mit zehn weiteren Hostel-Gästen vor einem riesigen künstlichen Palast wieder. Gleich würden wir das am öftesten gesehenste und am längsten laufende Bollywood-Stück sehen.
Es war fantastisch. Eine tanzende Mischung aus Aladdin und König der Löwen trifft auf die Kulisse von Dubai inmitten des Gefühls einer Kreuzung eines Kinos mit einem Vergnügungspark. Alle Schauspieler sprachen Hindi, aber das tat der Sache keinen Abbruch. Selbst die Türsteher lachten und tanzten mit.
Ein ungewöhnlicher und schöner Abschluss, bevor es weiter ging. Am nächsten Tag fuhren wir weiter nach Agra zum Taj Mahal.
Was aus Neu-Delhi im Gedächtnis bleibt:
- Roller gehören einfach nicht in die Fußgängerzone.
- An Curry morgens könnte man sich gewöhnen.
- Dieser Moment, als wir aus der Metro-Station stiegen.
- Kleine Kinder, die unentwegt am Straßenrand bettelten.
- Hunden und Tauben geht es prächtig – man glaubt an die Reinkarnation und füttert sie daher.