Wir haderten mit uns, ob wir die Stadt Varanasi besuchen würden. Sie liegt eher im Osten des Landes und daher weit weg von der westlichen Route, die wir eigentlich für uns vorgesehen hatten. Letztlich waren es die Gespräche mit anderen Reisenden und Indern, die uns dazu veranlasst hatten, Varanasi zu erkunden.
Varanasi ist die heiligste Stadt Indiens. Schon allein anhand der Anzahl an Kühen auf den Straßen könnte man das erahnen. Schon seltsam, TukTuk zu fahren oder durch die Fußgängerzone zu gehen, während einem ein Bulle mit zwei riesigen Hörnern entgegen stapft. Die Tiere sind im Hinduismus heilig und Teil des natürlichen Stadtbildes – noch viel mehr als in den Städten, die wir zuvor bereisten.
Indien extrem
Überhaupt war hier alles ein Stück extremer: Von jedem Punkt der Stadt aus sieht man einen Tempel. Und sahen wir zuvor auch schon viel Müll und Armut, so war es hier über weite Teile besonders gravierend. Ein einzigartiger Geruch lag über der Stadt: eine Mischung aus Abfall, Tieren, Gewürzen und Räucherstäbchen.
Der besonderste Punkt der Stadt ist ohne Frage das Ufer des Ganges. Am Morgen sah man hier Inder, die sich selbst und ihre Kleidung im Fluss säuberten und das Wasser tranken. Es ist der heiligste Fluss des Hinduismus’. Und doch sollte man eigentlich nicht aus ihm trinken, überschreitet die Wasserbelastung durch Coli-Bakterien doch circa um das Tausendfache den Grenzwert zum Bedrohlichen.
Feuer und Leichen
Jeden Abend finden an bestimmten Stellen des Ganges-Ufers Zeremonien statt, zu denen sich Tausende Menschen versammeln. Viele steigen in Boote, da die Treppen des Ufers heillos überfüllt sind und man so einen besseren Blick auf die Priester bekommt, die die Zeremonie durchführen.
Wir stiegen in ein Boot und fuhren vor der eigentlich Zeremonie ein Stück weit den Ganges hinunter. Aus der Ferne sahen wir große Feuer den Nachthimmel erleuchten. Daneben versammelten sich einige Dutzend Menschen, die eine große Treppe hoch und runter stiegen. Was wurde hier verbrannt und was machten die Menschen da?
Zur unserer linken Seite brannten Leichen, die zuvor auf der rechten Seite gewaschen wurden. Vornehmlich Angehörige trugen die konservierten Leichname per Trage in den Ganges. Dort wurden sie gewaschen, bevor sie aufgebahrt und verbrannt wurden. Die Asche landete anschließend im Ganges.
Ein Erlebnis, das nachhallt
Wie unwirklich dieser Ort wirkte. Wie aus einem anderen Jahrhundert. Oder wie von einem anderen Planeten. Doch war es hier absolut normal und erstrebenswert, selbst mal hier verbrannt zu werden. Reiche Inder bringen ihre verstorbenen Angehörigen per Flugzeug nach Varanasi, um ihnen diese letzte Ehre zu gewähren. Andere fahren mit Auto oder Bahn hierher. Unvorstellbar, zig Stunden in der Bahn neben dem toten Familienmitglied zu sitzen, um ihn dann endlich ans Flussufer bringen zu können.
Varanasi wirkte wie eine komprimierte und hochkonzentrierte Ladung Indiens, die man sicherlich nicht am Anfang seiner Reise machen sollte. Rückblickend freuen wir uns, hier gewesen zu sein, auch wenn es zuweilen schwierig war, mit der massiven Armut, den vielen streunernden Tieren und der weit verbreiteten Müllproblematik konfrontiert zu sein.
Varanasi gehört mit all seinen religiösen Einflüssen und kulturellen Eindrücken definitiv zu einer derjenigen Orte, die uns am nachhaltigsten beeindrucken werden – so viel ist sicher.
Was von Varanasi im Gedächtnis bleibt:
- Dieser Geruchscocktail in der Nase.
- Die brennenden Leichen am Ganges.
- Eine der Städte mit einem einzigartigen Flair.
- McDonalds Menükarten sehen leer aus ohne Rindfleisch.