Unsere Zeit in Marokko neigte sich dem Ende, doch ein Highlight wartete noch – mit Fès betraten wir die heimliche marokkanische Hauptstadt der Bildung, Religion und des Handwerks. Viel hatten wir auf unserer Reise durch Marokko von Fès gehört – vor allem von ihrer Medina, die laut UNESCO die größte mittelalterliche Altstadt der Welt sein soll. Und glaubt man den Marokkaner ist sie auch die authentischste.
Um einen Überblick über die Stadt zu erhalten, gingen wir am ersten Tag auf einen Aussichtspunkt. Wir überblickten die in sandfarbenen und weißen Tönen gehaltenen Häuser. All das war die Medina. So weit das Auge blickte. Dicht an dicht standen dort die Häuser, kaum Platz war dazwischen. Schon vorher haben wir allerhand Tipps bekommen, um uns in der Stadt zurechtzufinden. Der häufigste war aber: Ihr werdet euch verlaufen – zu hundert Prozent! Die Menschen vor Ort helfen euch aber gerne wieder raus aus dem Labyrinth.
Die Medina, Klaustrophobie auf Marokkanisch
Und in dieses Labyrinth machten wir uns jetzt auf. Ohne zu wissen, was wir sehen würden. Oder was zumindest unser Weg sein würde. Unser Hostel war innerhalb der Medina, aber recht nah am Rand, so dass wir schnell einen Zugang bekamen. Wir wählten einen Weg und suchten einen nahen Markt auf. Die Wege der Medina waren schmal, zumeist keine drei Meter breit. Manchmal schmaler. Alle Häuser waren mindestens dreistöckig, manchmal auch höher. Falls höher, waren zwischen den Häusern oftmals Holzkonstruktionen angebracht.
Auf dem Weg zum großen Markt gingen wir an vielen Ständen vorbei, wo die Menschen vor allem Lebensmittel verkauften. Die aufgebauten Körbe und Tische nahmen zumeist mehr als die Hälfte des Platzes der engen Gänge ein. Alle drängten sich in beide Richtungen – noch viel mehr, wenn sich jemand dazu entschied, an den provisorischen Ständen etwas zu kaufen und stehen blieb.
Wir fanden tatsächlich den Markt, wo viele Marokkaner das verschiedenste Gemüse, Fleisch und Obst anboten. Auf dem Platz war reger Betrieb. Hell war es, denn der Himmel hatte hier eine der wenigen Möglichkeiten, in die Medina von Fès zu scheinen. Überhaupt war die ganze Stadt für marokkanische Verhältnisse recht kalt.
Ein Marokkaner sprach uns an, den wir schon vor unserem Hostel kurz getroffen hatten. Er bot an, uns durch die Medina zu führen. Wir nahmen das Angebot gerne an – wohl wissend, dass er es natürlich nicht umsonst machen würde. Aber auf gut Glück war es vorprogrammiert, dass wir sowieso jemand fragen mussten, der in dieser verrückten Stadt lebte.
Und plötzlich überall Leder
Und so nahm er uns mit auf die Reise. Wir besuchten die verschiedenen Handwerker – Marokkaner, die Schuhe und Teppiche herstellten, Bäcker von wunderbaren Fladenbroten oder auch ein Lederwarengeschäft. Das Geschäft war voll von Taschen und Gürteln. Und hier roch es auf einmal ganz anders. Wir waren im Gerberviertel von Fès angekommen. Hier wird noch auf traditionelle Weise Leder gewonnen. Wir gingen auf den Balkon des Geschäfts und bestaunten, was hier geschah.
Ohne Schuhe oder Handschuhe arbeiteten die Männer inmitten der vielen kleinen Löcher, die in den Boden gemauert sind. Hier wird gegerbt, getrocknet und gefärbt. Die eingesetzten Mittel stanken. Die verwesenden Hautlappen stanken. Fleisch und Haare müssen vom Leder entfernt werden. Teilweise wird Taubenkot benutzt, um die Häute noch weicher zu machen. Die Arbeiter müssen darauf herum stampfen, es kneten und aufhängen. Und das bei nahezu 40 Grad – den ganzen Tag.
Wir fühlten uns nicht allzu wohl dabei, den Arbeitern weiter bei ihrem Knochenjob vom Balkon aus zuzusehen und beschlossen, wieder in die Medina selbst abzutauchen. Wobei es an Knochenjobs hier nicht mangelte, da Fès ein Schmelztiegel des Handwerks ist. Überall wurde emsig gearbeitet. Wir gingen wieder durch die Medina, diesmal raus aus dem Getümmel und an den Rand der Altstadt.
So entstehen also die Mosaike
Die Häuser, auf die wir zuliefen, waren ganz im Zeichen des Keramik-Handwerks. Die vielen tollen Mosaike überall in Marokko hatten es uns sehr angetan und wir freuten uns, dass wir eingeladen wurden, mehr über die Technik der Mosaikkeramik kennenzulernen. Wir betraten den Eingang, deren in die Wand gehauene Schränke eine Vielzahl an Tellern und Töpfen beherbergten. Noch war nicht viel zu sehen von den vielen farbenfrohen Mosaiken.
Eine kleine Halle schloss sich an, in der einige Arbeiter an den Mosaiken saßen. Jeder kleinste Stein wurde einzeln aufgetragen, bis sich das gesamte Mosaik ergibt. Eine unglaubliche Arbeit, die viel Geschick und Geduld erforderte. Und Kraft. Die Arbeiter schlugen alle Steine aus großen Blöcken heraus, um sie danach einzusetzen.
In der nächsten Halle standen die Kunstwerke, die bald verkauft wurden. Tolle Platten, Brunnen und Waschbecken in sattem Grün, Blau oder Rot. „Wahnsinn“, dachten wir uns. Wir guckten nach links und sahen die Arbeiter, die Stein für Stein zusammenlegten und guckten nach rechts, wo die wunderschönen, farbigen Brunnen standen.
Ehrlich, dreckig und urtümlich
Voll neuer Eindrücke gingen wir raus aus den Hallen und wieder zurück zu unserem Hostel. In dieser Stadt gab es so viel zu entdecken. Wir verbrachten noch zwei Nächte in Fès und genossen es, durch die Gänge zu schlendern und wirklich gut zu essen. Ein letztes Mal, bevor wir unsere Reise durch Marokko beendeten, aßen wir aus der Tajine und tranken Pfefferminztee.
Die Stadt war so ganz anders als das touristisch aufgeputzte und vergleichsweise saubere Marrakesch oder die eher ruhige Hafenstadt Tanger. Fès ist dreckig. Fès ist laut. Fès ist authentisch und urtümlich. Und das ist ein ganz großes Kompliment.
Was im Gedächtnis bleibt
- Mit ein bisschen Bakschisch kommt man immer weiter.
- Der beißende Geruch der Lederproduktion.
- Tee und Tajine gehen wirklich zu jeder Tageszeit.
- Die Gastfreundschaft der Marokkaner – wir wurden überall hinein gebeten.
- Sich zu verirren kann auch sehr schön sein.